"Ich will in einer Gesellschaft leben,
in der Pränataldiagnostik
nicht auf Selektion ausgerichtet ist.
In einer Gesellschaft,
in der Menschen bedürftig
und verschieden sein dürfen."
Gisela Hinsberger
"Was war zuerst da, die Henne oder das Ei?"
Das frage ich mich, wenn Gynäkologen sich über klagewütige Eltern beschweren. Eltern, die Schadensersatz fordern, weil die Behinderung ihres Kindes in der Schwangerschaft nicht erkannt wurde, oder weil sie nicht auf alle diagnostischen Möglichkeiten hingewiesen worden seien. Ich weiß, dass Ärzte Schadensersatze leisten müssen, wenn Pränataldiagnostik bei gegebener Indikation nicht angeboten oder fehlerhaft durchgeführt wird. Ich sehe, dass der Druck, immer mehr pränatale Diagnoseverfahren aktiv an die eigenen Patientinnen heranzutragen, gestiegen ist. Aber hat nicht erst diese Medizin, die vorgibt, Behinderungen verhindern zu können, Eltern geschaffen, die meinen, es gäbe einen Rechtsanspruch auf ein gesundes Kind?
Pränataldiagnostik kann werdenden Eltern helfen,
doch ihre Verquickung mit der normalen Schwangerschaftsvorsorge ist problematisch.
Ärztinnen haben viel Macht in diesen Situationen
Ich habe lange darüber nachgedacht, warum ich mich damals (während des Dopplers) so erschüttern ließ, aber
Ärzte haben große Macht in diesen Situationen, denn ihre Haltung wird sich – auch unabhängig von dem, was sie explizit sagen –
der Schwangeren übermitteln. Da es hier aber um Entscheidungen über Leben und Tod geht, ist es legitim, Ärzten abzuverlangen, sich intensiv mit der ethischen Dimension ihrs Handelns auseinanderzusetzen und ihre Einstellung zu Menschen mit Behinderungen auf den Prüfstand zu stellen.
Sachliche Lebenswert-Diskussionen?
Auf der Webseite einer Praxis für Pränatalmedizin sind Teile der gesellschaftlichen Diskussion um die pränatalen Butgentests abgebildet. Hierbei wird Sachlichkeit angemahnt und kritisch auf die häufig anzutreffenden schrillen Beitöne verwiesen. Über die Zuschreibung schrill bin ich gestolpert, denn ich glaube, dass nur Menschen mit Behinderungen und ihre Angehörigen die existenzielle Bedrohung, die durch selektive PND entsteht, wirklich empfinden können. Nur sie haben die direkte gedankliche Verbindung vom Embryo, dessen Austragung verhindert wird, zum eigenen Leben. Sie machen die Erfahrung, dass ihr Dasein bzw. das ihrer Kinder in Frage gestellt wird und spüren den selektiven Ansatz und die eugenische Wirkung der PND am stärksten. Deshalb halte ich es für angemessen, dass Betroffene und Selbsthilfegruppen sich zu Wort melden. Und ich bin der Meinung, dass vor allem Menschen, die die Ausweitung selektiver PND vorantreiben, die Gefühle der Betroffenen nicht abtun, sondern diese an sich heranlassen und sich ihnen stellen sollten. Ich fand Sachlichkeit überhaupt nicht angemessen, wenn ich gefragt wurde, warum es meine Tochter gibt.
Den im Gen-ethische(n) Informationsdienst (GID) erschienen Artikel der Autorin lesen?
"Vom Wissen um unsere Zerbrechlichkeit. Pränataldiagnostik und die Unbestimmtheit der Zukunft"